Donnerstag, 24. Februar 2011

Deutsch, deutscher, Brot

Die deutschen Nationalfarben sind eigentlich nicht Schwarz, Rot und Gold, sondern Schwarzbrot, Graubrot, Weißbrot. (Im Nebenland Österreich, wo der Ausdruck Graubrot ungebräuchlich bis unbekannt ist, kommt man bei der Trikolore konsequenterweise mit zwei Farben aus: Schwarzbrot, Weißbrot, Schwarzbrot.)
Die Deutschen und ihr Brot: un amour fou. Kaum eine Erzählungen von jemandem, der länger als eine Woche außerhalb von Deutschlands kulinarischem Hoheitsgebiet verbringen musste, die ohne zu Herzen gehende Schilderungen davon auskommt, wie schreckliches es doch war, kein richtiges Brot zu bekommen. Denn das Brot vom Rest der Welt ist für richtige Deutsche kein richtiges Brot. Nur deutsches Brot zählt.
Da wundert es, dass der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerkes erst jetzt die Erstellung eines Deutschen Brotregisters angehen will, in dem die Vielfalt deutscher Brotsorten ordentlich und gründlich erfasst werden soll. Das sei auch als erster Schritt dazu gedacht, so hört man, die deutsche Brotkultur von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkennen und schützen zu lassen. Was für die französische Koch- und Esskultur bereits der Fall sei, müsse auch für der Deutschen tägliches Brot nur recht und billig sein.
Deutsches Brot für die Welt? Als immaterielles Kulturerbe? Nun ja. Viele verschiedene Namen für im Grunde sehr wenige verschiedene Sorten ergibt eigentlich noch keine Vielfalt, die etwa mit der von Wein oder Käse in Italien oder Frankreich mithalten könnte. Und Brot ist ja schließlich bloß Brot. (Aber das sieht kein richtiger Deutsch ein. Für den ist es eine Weltanschauung.)
Zudem haben, wie man beim Durchqueren deutscher Innenstädte unweigerlich bemerkt, die „Backshops“ längst die Bäckereien an den Rand gedrängt. Von Wortwahl und Sache her eigentlich kein Ausweis besonderen Kulturbewusstseins. Und die Neigung mancher Deutscher, frisches Brot einzufrieren und wieder aufzutauen, ist, spricht eher für Liebe zur Labbrigkeit als für gehobene Esskultur. Anscheind kommt es vielen gar nicht darauf an, wie ihr Brot schmeckt, sondern bloß darauf, dass es deutsch ist.
Deutsches Brot sei in aller Welt beliebt, heißt es von verbandsoffizieller Seite. Das stimmt freilich nur mit dem Zusatz: bei den Deutschen in aller Welt ist deutsches Brot beliebt. Wo ein paar Deutsche dauerhaft wohnen, gibt es bald auch eine German Bakery. Gäbe es jedoch tatsächlich ein echtes Interesse Nichtdeutscher an „richtigem“ Brot, wäre dieses im Ausland ja nicht so schwer bis gar nicht zu bekommen, oder?
Das größte Hindernis auf dem Weg zur administrativen Durchsetzung der Weltgeltung deutscher Backkunst ist jedoch, dass die Bundesrepublik Deutschland dem Übereinkommen zur Erhaltung des Immaterielen Kulturerbes noch gar nicht beigetreten ist … (Anders als übrigens Österreich und die Schweiz.)
Die Welt wird also noch warten müssen, bis sie erfährt, dass Deutsches Brot zu ihrem kulturellen Erbe zählt. Bis dahin zumindest werden diese Milliarden Unglücklicher wohl weiterhin ihr falsches Brot backen und die in ihre unwirtlichen Gegenden verschlagenen Deutschen sich nach dem „richtigen“ sehnen lassen. Dieses „Brotweh“ ist nun ganz sicher ein typisch deutsches immaterielles Kulturgut. Aber schützenswert?

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