Mittwoch, 9. März 2011

„… ist alles vorbei“

Selten noch habe ich mich auf einen Aschermittwoch so gefreut wie auf diesen. Die alle Fernsehkanäle verstopfende Feierlaune des losgelassenen Spießertums war diesmal besonders aufdringlich. Warum die Leute glauben, sie müssten sich verkleiden und schunkeln, damit man sie als Narren erkennt, weiß ich nicht, mir gelingt das doch das ganze Jahr über auch so. Außerdem: Lustig geht anders. Wenn das Fröhlichkeit ist, bin ich lieber schwer depressiv. Ohnehin ist mir ein Rätsel, wie man auf Kommando gut drauf sein kann. Zumal der Sinn des vorschriftsmäßigen Ausgelassenheit gänzlich abhanden gekommen sein dürfte. Denn eigentlich hatte, wer ab heute nicht fastet, weder Anlass, noch Grund, noch Recht, den Fasching zu feiern. Und Fasten meint, wohlgemerkt, nicht „Entschlackung“. Es geht keineswegs um Wellness, sondern um Konsumverzicht.
Im real existierenden Totalkonsumismus wäre das freilich eine Monstrosität. Und kommt darum gar nicht ernsthaft in Frage. Zwischen Aschermittwoch (gern mit Heringsschmaus) und Ostern herrscht vielmehr ungestörter Geschäftsbetrieb. Längst sind ja auch Ostereier im Handel erhältlich — wer die dann uralten Dinger in sieben Wochen noch fressen soll, weiß der Teufel. Auch der Osterhase spukt (wie vor einem halben Jahr der Weihnachtsmann) schon lange vor dem Fest durch die Dekoration, weshalb das eigentlich zu Feiernde gar nicht mehr zum Vorschein kommen kann. Zumal es nichts mit Hasen oder Eiern zu tun hat.
Gottes Sohn ist gestorben und auferstanden? Der Durchschnittsbürger der westlichen Industriegesellschaften reagiert darauf bestenfalls mit einem Schulterzucken. Er hat andere Sorgen als die Ewigkeit. Er fragt sich lieber: Was und wie konsumiere ich heute?
Kurzum: Nie war Fastenzeit so nötig wie heute. Schon immer war das die einzige Karnevalsliedzeile, die mir wirklich zu Herzen ging: „Am Aschermittwoch …“

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