Mittwoch, 29. Mai 2013

„Homo-Adoption“

Dass ich kein Freund der „Homo-Ehe“ bin, setze ich hier einmal als bekannt voraus. Egal, unter welchem Namen und in welcher konkreten gesetzlichen Ausgestaltung: Ich halte nichts davon, dass Männerpaare die konventionellen Beziehungsformen von Heteropaaren imitieren und dafür außer dem mehrheitsgesellschaftlichen Beifall — „Homos sind auch nicht anders“ — auch noch staatliche Anerkennung und Förderung wollen. Ein Beitrag zu einer emanzipatorischen Politik der Lebensweisen ist das meiner Meinung nach nicht. Dies vorausgeschickt, will ich hier auf ein Thema eingehen, das immer nur am Rande der Homo-Ehe-Debatten erscheint, obwohl es mit weniger mit „Partnerschaft“ zu tun hat als vielmehr mit Fragen der Fürsorglichkeit und der Verantwortung für Unmündige. Ich will ein paar Bemerkungen machen zur Adoption von Kindern durch Paare aus zwei Männern oder einzelne Männer, die einem Paar angehören. Mein Thema ist also die boulevardesk so genannte „Homo-Adoption“. (Ob von dem hier Gesagten etwas oder alles auch auf Lesben zutrifft, sollen die und andere entscheiden.)
Die Gegnerinnen und Gegner einer rechtlich abgesicherten Möglichkeit, dass ein Mann, der mit einem Mann zusammenlebt, ein Kind adoptiert (sei es ein leibliches Kind des anderen Mannes, sei es ein von diesem adoptiertes oder sei es das Kind Dritter), bringen immer wieder ein und dasselbe Argument: Kinder brauchen, um gut aufzuwachsen, Vater und Mutter.
Ich will vorläufig gar nicht darauf eingehen, ob dieses Argument sachlich richtig ist oder nicht. Ich will zunächst nur das Augenmerk darauf lenken, was aus diesem Argument folgt. Wenn es nämlich stimmt, dass es dem Kindeswohl widerspricht, wenn ein Kind nicht sowohl bei einem Vater als auch einer Mutter aufwächst, dann müssten eigentlich allen Alleinerziehenden, egal, ob Mann oder Frau, sofort ihre Kinder entzogen werden. Es sei denn, sie ziehen schnellstens mit einer Person des anderen Geschlechts zusammen, die unverzüglich die Funktion des jeweils fehlenden Elternteiles übernehmen muss.
Wenn es stimmt, dass Kinder Vater und Mutter brauchen, um seelisch gesund aufzuwachsen, müssten zudem Scheidungen von Ehepaaren mit Kindern verboten werden. Ja, auch die Trennung von unverheirateten Paaren, die Kinder haben, wäre zu untersagen. Witwen und Witwer müssten, wenn sie unmündige Kinder haben, schleunigst wiederverheiratet oder verpartnert werden. Waisenheime und väterlose Kinderdörfer wären unbedingt  abzuschaffen. All das selbstverständlich im Sinne des Kindeswohls.
Fakt ist, es gibt Männerpaare, die gemeinsam Kinder großziehen, egal, ob ihre Paarbeziehung nun gesetzlich anerkannt und geregelt ist oder nicht. Wer das Adoptionsrecht für Homo-Paare ablehnt, weil zwei Väter zu haben (und womöglich keine Mutter) einem Kind schadet, müsste folgerichtig nicht nur gegen das Adoptieren, sondern gegen das Zusammenleben und Aufziehen von Kindern durch Männerpaare sein, sogar wenn es sich um die leiblichen Kinder dieser Männer handelt. Wenn kein Kind ohne Mama aufwachsen darf, dann hätte die politische Devise zu lauten: Nehmt den Schwuchteln ihre Kinder weg!
Ich denke, es ist klar, was ich hier zu zeigen versuche: Ernst genommen, führt das Argument „Kinder brauchen Papa und Mama“ in gesellschaftlichen Terror. Ich sehe keine Möglichkeit für einen politischen Konsens darüber, dass Alleinerziehenden ihre Kinder weggenommen (oder Ehen aufgedrängt) werden müssen oder dass zwei Männer nicht zusammen ein oder mehrere Kinder großziehen dürfen, und ich sehe auch keine politische Richtung, die derlei derzeit fordert.
Wenn es aber erlaubt ist, dass Kinder ohne Vater oder ohne Mutter aufwachsen, wenn es erlaubt ist, dass dies ohne Verrechtlichung geschieht, dann muss es auch erlaubt sein, dass das Kümmern um ein „fremdes“ Kind, das ja bereits in großer Zahl stattfindet, auch gesetzlich anerkannt und die Annahme an Kindes Statt entsprechend ermöglicht wird. Nämlich gerade zum Wohle des Kindes, für das rechtlich abgesicherte Verhältnisse wohl besser sind als rechtlich prekäre.
Kurzum: Das Papa-Mama-Argument führt in die Irre. Wenn es sachlich richtig wäre, müssten um des Kindeswohles willen massive Eingriffe ins Privatleben sehr vieler Menschen geschehen. Das will niemand. Und im Übrigen ist es schlicht sachlich falsch. Zwei Männer (oder zwei Frauen) können einem Kind genau so gute oder schlechte Eltern sein wie ein Heteropaar auch.

Gewiss, die rein zahlenmäßigen Verhältnisse mögen sehr verschieden und darum nicht zu vergleichen sein. Aber während solch grässliche Fälle praktisch täglich als Untaten von Heteropaaren vermeldet werden, hört man nie etwas von schwulen Paaren, die ihre Kinder körperlich oder seelisch misshandeln oder verhungern lassen oder beim Selbstmord mit in den Tod nehmen. Die eigenen Kinder als Eigentum zu betrachten, über das beliebig verfügt werden kann, das scheint eine Spezialität von Mama-Papa-Eltern zu sein. Und da will man ausgerechnet Väterpaaren (und Mütterpaaren) das Adoptionsrecht verweigern? Kinder brauchen Fürsorge und Respekt. Wer immer ihnen das bieten kann, soll es tun dürfen.

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