Sonntag, 5. März 2017

Anmerkung zu „Aschermittwoch“ (1)


Ich habe geschrieben: „Was wir tun und was wir lassen, das sind, alles in allem genommen, die Verhältnisse, in den wir leben.“ Wenn nun der Einzelne sein Verhalten ändert, indem er Gutes tut und Böses lässt, so ändern sich zwar die Verhältnisse, aber das bedeutet nicht, dass daraufhin alles gut wird, und wäre es nur für den Einzelnen. Im Gegenteil: „Was alle angeht, können auch nur alle lösen. Jeder Versuch eines einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.“ (Dürrenmatt) Die Verhältnisse sind bekanntlich kompliziert. Eine einzelne Verhaltensveränderung ändert zwar das Ganze, aber das muss weder unmittelbar merkbar sein noch in eine gewünschte Richtung gehen. Man kennt das Bild von Flügelschlag des Schmetterlings, der über unüberschaubare Vermittlung einen Wirbelsturm auslöst. Das Verhalten jedes Einzelnen trägt also zwar zu den Verhältnissen bei, aber die Wirkung dieses Beitrags auf das Ganze ist für endliche Wesen nicht vorhersehbar. Denn es ist eben das Verhalten wirklich jedes Einzelnen, aus dem die wirklichen Verhältnisse bestehen. Heißt das nun, dass der Einzelne nichts für sich bewirken kann und darum nichts an sich verändern soll? Nein, denn das Richtige zu tun und das Falsche zu lassen, ist immer richtig. Der Einzelne braucht nicht zu beanspruchen, die Welt zu verändern (auch nicht im Zusammenschluss mit anderen), die braucht das nicht, sie ändert sich sowieso dauernd. Nicht bloße Veränderung ist also das Entscheidende, sondern um Veränderung zum Besseren. Was aber der Einzelne auf jeden Fall zum Besseren verändern kann und soll, ist sein eigenes Verhalten (gern auch im Zusammenschluss mit anderen). Hier kann und wird er wirken. Ob das zu seinen Lebzeiten oder überhaupt je die Verhältnisse im Ganzen verbessert, muss ihn nicht kümmern. Die einzig wahre Weltrevolution ist die Revolution der des Verhaltens der Einzelnen. Wenn jeder Gutes tut und Böses lässt, ist alles in Ordnung. Aber das ist nicht der Fall, und was du tust und lässt, muss darum möglichst unabhängig davon geschehen. Die Revolution bist du selbst, oder es wird keine Revolution geben.

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