Montag, 10. Juli 2017

Gipfelsplitter

„Zum G20-Gipfel werden Tausende Linke aus dem Ausland erwartet.“ Stimmt eigentlich. Wo bleibt vorm und beim Weltherrschergipfel der Protest von rechts? Wenigstens der inländische? Siehste.

* * *

„Das Treiben prügelsüchtiger Gruppen, denen sonst nichts fehlt, dominiert leider nicht nur die erlaubten Proteste, sondern die gesamte Wahrnehmung der Gipfel.“ Ich finde es ungeheuerlich, wir Reinhard Müller (FAZ) hier gegen die Polizei hetzt.

* * *

Ich finde, der Gipfel ist ein voller Erfolg. Die Polizei freut sich, dass sie all ihr schönes Gerät verwenden und ein bisschen prügeln kann. Die Demonstranten freuen sich, dass sie heldenhaft für ein bessere Welt oder gegen die Langweile kämpfen können. Die Bürger freuen sich, dass sie sich über Schurken erregen können, die sinnlos Gewalt anwenden (womit sie erstaunlicherweise nicht die Gipfelteilnehmer meinen, sondern „marodierende Linksradikale“). Und die Herrscher dieser Welt freuen sich, dass sie wichtig sind und die Geschäfte gut laufen.

* * *

Nur der Papst meckert wieder rum. Aber den hat ja auch keiner eingeladen.

* * *

Ist es Heuchelei oder sind Gipfelgegner und Gipfelgegnerinnen, die sich über das Verhalten der Polizei beschweren, wirklich so naiv? Glauben die wirklich immer wieder von Neuem an die Mär vom „Freund und Helfer“, der in der Hauptsache dazu da ist, gebrechliche Omas liebevoll über die Straße zu bugsieren? Der moderne Staat ist dazu da, dass die Reichen ungestört reicher werden können und der Rest der Gesellschaft in Schach gehalten wird. Die Polizei ist des Staates Büttel mit dem Knüppel. Zu seiner täglichen Arbeit gehört es, Feindbilder aufzubauen und durchzusetzen. Was aber bestätigt die systemrelevanten Ressentiments der hart arbeitenden Mehrheit der Gesellschaft besser, als eine mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstock vorgenommene Unterscheidung von friedlichem Protest und mutwilligen Krawallmachern? Da lobe ich mir (ohne Straftaten gutzuheißen, was ja strafbar wäre) die, die privat mit dem Ziel der Randale angereist sind und sich ihr Vergnügen besorgt haben. Das ist ehrlich und durchdacht. Die wollen nix verbessern, die wollen Spaß. Mit der Polizei physisch zu konfligieren scheint Spaß zu machen. Schaufenster einzuschlagen, scheint Spaß zu machen, auch ohne Plündern. Autos anzuzünden, scheint Spaß zu machen. (Hier trifft der kriminalisierbare Hedonismus einer Minderheit mit dem braven Konsumismus der Mehrheit zusammen, das Auto ist beiden eine heilige Kuh.) Zu glauben, man könne das herrschende System ernsthaft kritisieren — und am Straßenrand stünden Politiker, Journalisten und Polizisten und applaudierten, wäre ziemlich doof. Aber das glaubt ja eh keiner, oder?
 
* * *

G20 einigen sich auf freien Handel. Ich atme auf.
 
* * *

„Der HVV verschenkt Monatskarten an Autobesitzer, deren Wagen bei den G20-Krawallen in Brand gesteckt wurden.“ Und so haben die Randalierer auch noch der Umwelt was Gutes getan. Wenigstens für einen Monat.
 
* * *

Wenn das wohlstandsverwahrloste Spießergesindel wirklich über das bisschen Randale in Hamburg erschrocken ist, dann empfehle ich ihm dringend, sich mal im Rest der Welt umzusehen. Dort findet sinnlose Brutalität statt, gegen die das infantile Autoabfackeln und Polizistenärgern wie ein Fliegenschiss neben Tschornobyl wirkt.
 
* * *

Eigentlich könnte es ganz reizvoll sein, wenn die brutalen Kriminellen, die das arme Hamburg so verwüstet und der Polizei solche Sorgen gemacht haben, ausgeforscht würden. Bin gespannt, wie viele V-Leute des Verfassungsschutzes darunter wären.
 
* * *

Nachtrag. Ein besonderes Verbrechen bei dem an unschönen Ereignissen nicht armen Gipfel zu Hamburg war es, den Staatsgästen ausgerechnet Musik des Anarchisten Ludwig van Beethoven zu servieren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen